Was unser Gesundheitssystem von Österreich lernen kann

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Auch in Österreich mangelt es nicht an Vorschlägen zur Reform der Gesundheitsversorgung. Das neue Weissbuch von Praevenire diskutiert Ansätze, die auch für die Schweiz von Bedeutung sind.

Klagen über die Gesundheitskosten gehören zum Standardrepertoire in der Bevölkerung und den Medien. Die Pandemie lehrt uns, dass ein funktionierendes Gesundheitssystem seinen Preis wert sein kann. Wohl noch nie war die Bevölkerung so froh, dass man sich auf ein hochstehendes und leistungsbereites Gesundheitswesen verlassen kann.

Wie ist es in anderen Ländern? Ein interessanter Vergleich bietet Österreich. So legte vor kurzem die Organisation Praevenire ein Weissbuch mit Handlungsempfehlungen für die Politik zur Zukunft der Gesundheitsversorgung vor. Zwei der diskutierten Themenkreise, mit Relevanz auch für die Schweiz, werden im Folgenden beleuchtet.

Versorgungssicherheit erhöhen

Erstens: die Versorgungssicherheit. Seit Jahren kämpfen Gesundheitsfachpersonen in ganz Europa mit Versorgungsunterbrüchen bei einzelnen Medikamenten. Besonders relevant ist dabei die Gruppe der Antibiotika. Deren Vergütungspreise sind tief und der massenweise Einsatz aufgrund der befürchteten Entwicklung von Resistenzen limitiert. Dies setzt weder Anreize für die Entwicklung neuer Wirkstoffe noch für eine Produktion bestehender Antibiotika in Europa. Viele der heute benötigten Ausgangsstoffe werden deshalb von wenigen Herstellern v.a. in Asien produziert – ein Klumpenrisiko für die Gesundheitsversorgung.

Das Weissbuch von Praevenire schlägt eine Erhöhung der Vergütungspreise vor. Zudem soll ein Hersteller bei der Marktzulassung mindestens zwei Lieferantenbeziehungen für den Bezug eines kritischen Ausgangsstoffes nachweisen müssen. Die Schweiz kennt für die Versorgung in Krisenfällen den Rückgriff auf Pflichtlager, so auch für vereinzelte medizinische Güter. Doch damit werden langfristige Versorgungsprobleme nicht gelöst. Ausserdem wurde das Vertrauen in die Schweizer Vorratshaltung während der Pandemie erschüttert, weil es im Frühling 2020 offenbar zu wenig Masken gab. Dafür waren bspw. die Pflichtlager mit Zucker und Kaffee randvoll – die Prioritäten wurden offensichtlich falsch gesetzt.

Wertschöpfungssystem breit abstützen

Zweitens: das Wertschöpfungssystem Gesundheit. Eines der Sorgenkinder, in Österreich wie in der Schweiz, ist offenbar die klinische Forschung. Sie sollte aufgewertet werden, indem die Rahmenbedingungen dafür verbessert werden. Klinische Forschung stellt sicher, dass auch in Zukunft verbesserte Möglichkeiten zur Vorbeugung oder Behandlung von Krankheiten erforscht und innovative Medikamente entwickelt werden können.

Die Attraktivität eines Standortes lebt von einem starken Wertschöpfungssystem. Im Gegensatz zu unserem Nachbarland ist die Schweiz bislang breiter aufgestellt, d.h. das Wertschöpfungssystem verfügt über Akteure in allen Bereichen, teilweise gar mit weltweiter Ausstrahlung. Doch dies ist nicht für die Zukunft gegeben. Während eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die klinische Forschung langfristig angegangen werden muss, zeichnet sich kurzfristig in einer Schlüsselbranche der Schweiz, der Medizintechnik, Unheil ab. Unser Land droht gegenüber der EU an Attraktivität einzubüssen; Hintergrund sind die Streitigkeiten über die Anerkennung der Schweizer Medizintechnikregulierung.

Gut bleiben bedeutet, besser zu werden

Österreich hat es mit dem Weissbuch vorgemacht. Wir müssen auch in der Schweiz die Köpfe – vorerst virtuell, aber hoffentlich bald auch wieder physisch – zusammenstecken, um Verbesserungen am Gesundheitssystem Schweiz zu diskutieren. Die Healthtech-Branche spielt dabei eine essenzielle Rolle, der Austausch in einem Cluster ist ein Nährboden für Ideen, die das Land voranbringen. Dies nicht zuletzt mit dem Ziel, für eine weitere mögliche Pandemie besser gewappnet zu sein.

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