Das Schweizer Gesundheitssystem: gut, aber nicht top

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Die Schweiz hat gemäss einer aktuellen Untersuchung ein gutes, im internationalen Vergleich aber längst nicht das beste Gesundheitssystem.

Die Ausgaben der Schweiz im Gesundheitswesen betragen CHF 82.5 Mrd. (2019). Gemessen am Bruttoinlandprodukt (BIP; 11,3 Prozent) und pro Kopf (CHF 9600) hat die Schweiz damit im Vergleich zu anderen Ländern eines der teuersten Gesundheitssysteme. Die Frage ist: Hat sie auch eines der besten?

Eine mögliche Antwort liefert die aktuelle Untersuchung der amerikanischen Denkfabrik «The Commonwealth Fund». Für elf Länder wurden 70 Leistungskriterien in den folgenden fünf Kategorien bewertet:

  • Zugang zur Gesundheitsversorgung (acces to care)
  • Betreuungsprozesse (care process)
  • Verwaltungseffizienz (administrative efficiency)
  • Gerechtigkeit (equity)
  • Resultate der Gesundheitsversorgung (health care outcomes)

Die Bewertung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung umfasst beispielsweise sowohl die Erschwinglichkeit der Versorgung als auch die Zeit, die für die Inanspruchnahme der Versorgung benötigt wird. So liegt das Vereinigte Königreich ganz vorne, wenn es um die Erschwinglichkeit geht. Zwar bietet der NHS eine universelle, kostenlose Versorgung, aber die Bewertung des Landes wurde durch lange Wartezeiten für Behandlungen negativ beeinflusst.

Norwegen und Niederlande top, die USA fallen ab

Die Spitzenreiter sind Norwegen und die Niederlande. In beiden Ländern haben Patienten einen schnellen Zugang zu Gesundheitsleistungen. An dritter Stelle ist Australien. Auf dem letzten Platz liegen die USA. Sie weisen bspw. die höchste Müttersterblichkeit und die meisten vermeidbaren Todesfälle auf. Dem Bericht zufolge sind die US-Amerikaner auch kränker als die Bevölkerung der anderen untersuchten Nationen und ihre Lebenserwartung verringert sich zunehmend. Dies, obwohl das Land im weltweiten Vergleich mit 16,8 Prozent die höchsten Gesundheitsausgaben in Prozent des BIP aufweist. Die Gesamtergebnisse des US-amerikanischen Gesundheitssystems lagen so weit hinter jenen der anderen zehn Länder zurück («outlier»), dass sich die Autoren des Berichts gezwungen sahen, den Durchschnitt ohne die USA zu berechnen.

Insgesamt rangieren diejenigen Länder weiter vorne, die die Kosten der Gesundheitsversorgung für die Patienten senken konnten. So wirkten sich beispielsweise die in Norwegen eingeführte Obergrenze für die Eigenbeteiligung sowie die 2013 in Deutschland getroffene Entscheidung, die Gebühren für Arztbesuche abzuschaffen, positiv auf die Platzierung aus.

Schweiz auf dem neunten von elf Plätzen

Und die Schweiz? Sie kommt in dieser Untersuchung nicht gut weg und erreicht nur Rang neun. In den untersuchten Kriterien schneidet sie folgendermassen ab:

  • 10. Platz: Zugang zur Gesundheitsversorgung. Hier schlagen vor allem die hohen Kosten negativ zu Buche.
  • 7. Platz: Betreuungsprozesse. Hier weist die Schweiz im Vergleich bspw. weniger präventiv durchgeführte Untersuchungen auf.
  • 10. Platz: Verwaltungseffizienz. Der administrative Aufwand ist ausserordentlich hoch und das Finanzierungssystem komplex.
  • 3. Platz: Gerechtigkeit. Die erzielten Behandlungserfolge sind weitgehend unabhängig vom Einkommen.
  • 3. Platz: Resultate der Gesundheitsversorgung. Hier schneidet die Schweiz aufgrund der hohen Lebenserwartung und der tiefen Rate an vermeidbaren Todesfällen gut ab.

Die Frage bleibt offen, ob ein weitgehend über Steuern (wie in vielen Ländern) statt über Prämien finanziertes Gesundheitswesen wirklich effizienter ist.

Fazit

Der Bericht hebt hervor, dass die leistungsstärksten Länder eine allgemeine Gesundheitsversorgung bieten und die Kostenbarrieren senken. Ausserdem investierten sie in eine gemeindenahe Primärversorgung und verringerten den Verwaltungsaufwand. Die COVID-19-Pandemie habe aber gezeigt, so der Bericht, dass kein Land über ein perfektes Gesundheitssystem verfügt. Auch ein hoher Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP führt nicht zwingend zu einem besseren Ergebnis.

Lohnend wäre, je Kriterium die «Best Practices» zu identifizieren, um sie ggf. auf die Schweizer Verhältnisse zu übertragen. Nur schon die föderale Struktur der Schweiz stellt ein Versuchslabor der Gesundheitspolitik dar – erfolgreiche Ansätze aus den Kantonen liessen sich schweizweit anwenden. Anzustreben ist eine optimale Balance zwischen den Ergebnissen der Gesundheitsversorgung und den Kosten.

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